Mittwoch, 25. Januar 2012


Rosen im Januar

An einem Donnerstag Ende Januar, schlenderte ich am frühen Nachmittag über den Markt von Basel. Ein eisiger Wind säuselte einem um die Ohren. Es waren nur wenige Stände aufgebaut, die Kälte hielt wohl die Markfahrer davon ab. An diesen wenigen Marktständen wurden vorwiegend Blumen feilgeboten. Ein Stand fiel mir besonders auf. An dem gab es wunderschöne Rosen aller Farben und Züchtungen zu kaufen. –Frische Rosen, hmm, jetzt im Januar- ging mir durch den Kopf -na ja, Eisblumen währen wohl für diese Jahreszeit sicher das Richtigere-.

"Guten Tag, wie lange halten denn diese schönen Rosen?", fragte ich den Händler. "Gut und gern sieben Tage", war seine Antwort. “Eigentlich nicht gerade lange für künstliche Rosen", gab ich lachend zurück und schlenderte weiter. -Mimosen wären jetzt eher angesagt-, ging mir durch den Kopf. Im Süden sollten um diese Jahreszeit die ersten Mimosenbäume in Blüte stehen.

Vor einigen Jahren hatte ich Mitte Februar in Locarno wunderbare Mimosenbäume in Blüte gesehen. Ein schöner Anblick, die runden, leuchtend gelben Blütenkugeln zwischen den gefiederten, sattgrünen Blättern. Zusammen mit der Ambiente der südlichen Baukultur und dem speziellen Duft, den diese Bäume verbreiteten, fühlte man sich bereits in den Frühling versetzt. Auch die Kamelienblüten faszinierten mit ihren großen roten und weißen Blüten im milden Klima des Südens. In der Ferne winkten die weißen, schneebedeckten Berggipfel, währenddessen in Locarno diese prächtige Blütenpracht lockte.

Zurück zu den Mimosen, deren Blüten sehr heikel sind. Wenn man diese als Sträuße gebunden in die warme Stube stellt, lassen sie sehr schnell die Köpfe hängen und verblühen im nu. Darum sagt man ja auch zu jemandem, der schnell aufgibt, den Kopf hängen lässt oder schnell mal den Beleidigten spielt, "du bist eine Mimose".

Also Mimosen wurden hier in Basel noch keine verkauft. Doch einige sah ich hier herumlaufen. Lassen wir darum diese Mimosen da, wo sie hingehören.

Ich kehrte an den Verkaufsstand von unserem Rosenhändler zurück und suchte mir ein kleines Rosengesteck aus. Er hatte wirklich wunderbare Rosen feil, das machte mir die Wahl nicht gerade einfach. Das von mir ausgesuchte tönerne Töpfchen war mit zwei gelben Rosen mit violetten Blütenrändern auf dunkelgrüne Blätter gesteckt und ausgeschmückt mit kleinen Ästchen mit zig leuchtendgelben Blütendolden. Kleine rote Beeren verfeinerte das kleine Kunstwerk. Beim bezahlen sagte er mir "und dieses Gesteck hält ihnen mindestens zehn Tage". Ich musste ihn ganz ungläubig angeschaut haben, denn er lächelte und meinte "ehrlich, sie müssen nur einmal, nach fünf Tagen, Wasser geben, aber bitte nur wenig".

Nun, seither waren fünfzehn Tage vergangen, und dieses hübsche Kleinod stand immer noch in voller Frische im Wohnzimmer auf dem Glastisch und erfreute mein Herz und das der weißen Tara neben ihm.

Selbst nach Jahren steht dieses Töpfchen immer noch neben meiner weißen Tara. Die Rosen sind immer noch sehr schön anzuschauen, aber inzwischen dürr und leicht verblasst, wirken dafür aber etwas reifer, eben wie wir Menschen auch.

© Hans-Peter Zürcher

Sonntag, 8. Januar 2012


Tauwetter

Diese Kurzgeschichte habe ich meinem Vater gewidmet. Leider weilt er schon viele Jahre nicht mehr unter uns, sein Herz konnte einfach nicht mehr. Er hatte immer versucht, uns das Leben so angenehm wie nur immer möglich zu gestalten, und dass es uns, im Gegensatz zu seiner Kindheit und Jugend, möglich war, einen Beruf zu erlernen. Was ihm nicht vergönnt gewesen, hat er mir ermöglicht.

Danke mein lieber Vater....

Hans-Peter

Die Sonne brannte auf die Erde nieder, als hätte sie den Auftrag, diese zu verbrennen. Der Himmel zeigte sich seit vielen Wochen in tiefem stählernen Blau, kein Wolkchen, das für wenige Sekunden bereit gewesen wäre, dieser Brennerei, wenn auch wenigstens nur für einige wenige Sekunden, ein Ende zu setzen. 36° im Schatten war im Unterland täglich zu verzeichnen, selbst in der Nacht fiel das Thermometer nicht unter 25°. Auch in den Bergen war es nur ein wenig angenehmer, auf 1500 müM erreichte das Quecksilber immer noch spielend die 30° - Marke. Ein außergewöhnlich heißes Jahr. 
Die Wiesen und Äcker waren braun verbrannt, braun waren Arme und Gesichter der Feldarbeiter, die in dieser Hitze ihre Arbeit verrichten mussten. Gnadenlos der Sonne ausgesetzt, von Frühmorgens bis Abends, nur zwischendurch mal eine Pause im Schatten eines Baumes. Käse, Brot und Most. Bauer, Knecht und zwei Kinder waren es, die sich da täglich abrackerten, wobei die Kinder nicht etwa eigene waren, nein, Verdingkinder waren es, die da in dieser Gluthitze ihre Arbeit verrichten mussten.

Hans hatte es nicht einfach, er verlor mit zehn Jahren seinen Vater. Von da an war es fertig mit seinem Kinderdasein, seine Mutter verdingte ihn zu Bauern. Im Winter zur Schule im Sommer zu den Bauern. - Wie schön wäre es, wenn es jetzt Winter wäre -, träumte er vor sich hin, während er das verdörrte Gras mit dem Rechen, der ihn um einiges überragte, zusammenzog. Noch am gleichen Tag wo das Gras, das eh schon verdorrt war, geschnitten wurde, konnte es eingebracht werden. Auf den Winter freute er sich den ganzen Sommer über, denn da durfte er Kind sein, mit seinen Kameraden spielen, seinen Wissensdurst stillen und den Geschichten, die der Lehrer jeweils am Samstag vorlas lauschen, vorbei die Rackerei. Vorbei bis zu dem Zeitpunkt, da das Tauwetter begann, das Eis und Schnee schmelzen ließ und seine Mutter ihn wieder an Bauern verdingte.

Durst hatte er, dabei war es erst acht Uhr am Morgen, noch eine ganze Stunde musste er ausharren, bis dann die Magd mit dem Handkarren die Brotzeit brachte. - Jetzt nur nicht schlapp machen - ging ihm durch den Kopf, denn noch allzu gut erinnerte er sich an den Herbst vor drei Jahren, als er beim Mist austragen zusammenbrach. Unbändige Schmerzen in Brust und linkem Arm. Das Herz des Buben konnte dieser Schufterei nicht standhalten, hatte gestreikt, ein Herzinfarkt im zarten Kindesalter. Wie etwas Unwirkliches saß diese Leidenszeit in ihm fest, tief in die Seele eingebrannt. Verlorene Tage, Wochen und Monate. Kaum genesen ging’s schon wieder los, vielleicht nicht mehr mit ganz so schwere Arbeiten wie vorher, aber in dieser Hitze zu arbeiten, das war sehr schwer, auch wenn es nur um Heu zusammen rechen ging.

An eine Ausbildung war nicht zu denken, denn die Schulbildung wies zu große Lücken auf, Lücken die nur durch Lebenserfahrung geschlossen werden konnten. Und so blieb es dann eben ein Leben lang. Als Kind verdingt, als Erwachsener ungebildet durch ein Leben voller Hindernisse, die nur durch sein gutes Herz gemeistert werden konnten, ein Herz, das von unmenschlicher Schufterei angeschlagen war und trotzdem hatte Hans ein gutes Herz, das er seiner Familie schenkte.


© Hans-Peter Zürcher