Dienstag, 30. August 2011


Ein Sommerspaziergang

Ein tiefblauer Himmel verleitete mich dazu, an diesem frühen Morgen über meinen Garten hinaus den nahen Feldern entgegen zu schlendern. Die Luft war trocken und duftete nach Sommerfrische. Ohne dass ich es eigentlich vor hatte, zog es mich immer weiter. Erst über abgeerntete Rapsfelder, auf denen nun Mais angepflanzt worden ist. Noch beherrscht das Braun der Erde das Bild auf diesen Feldern, zu zart und fein waren die jungen Triebe des Mais. In Reih und Glied sind die Pflänzchen gesteckt, von weitem betrachtet ergab das ein schönes Muster von einfacher Gliederung und Struktur. Weiter ging es angrenzenden Feldern entlang, auf denen das Korn schon eine beachtliche Höhe erreicht hatte. Im leichten Wind wogen die schweren Ären gleich Wellen auf einem See. Das Feld war durchsetzt mit roten Mohnblüten, die in diesem Wellengang lustig mitschaukelten, als wären es kleine schwimmende Lichtlein auf einer unruhigen Wasseroberfläche. Je nach Lichteinfall glaubte man helle Gischtwellen erkenn zu können. Ein zartes Rauschen über dem Feld wurde von einer hell klingenden Melodie begleitet, erzeugt durch sachtes Glockenspiel von entfernt weidendem Vieh. Mäusebussarde kreisten in weitem Bogen und liessen sich durch die Thermik in die Höhe treiben. Ihre Schreie hallten über die Landschaft und die Weite dieser Felder, die in leicht hügeligem Gelände eingebettet sind, die lediglich durch einen kleinen, wunderbaren Wald und ein unendlich blaues Firmament überragt werden.

Solche Spaziergänge mache ich sehr gerne, denn ohne Ziel sich einfach durch die Natur treiben zu lassen ist etwas Erbauliches und auch erholsames. Waren es nun schon eine oder gar zwei Stunden, ich wusste es nicht. Es gab so vieles zu Reichen, zu fühlen und zu Schauen. Dieser wunderschöne Morgen und die Bilder dieser aufblühenden Landschaft lockten mich, immer weiter zu wandern. Langsam legte sich eine trockene, aber flimmernde Hitze über diese Felder. Mein Pulsschlag ging schnell, im Gleichtakt zu meinem Schritt, der unaufhörlich vorwärts trieb. So war dann die bläulich gefärbte, schattige Kühle dieses Waldes, den ich nun erreicht habe, eine willkommene Erfrischung.

Licht und Schatten spielten auf dem Boden im leichten Wind und wenn ich hoch schaute, glitzerte das Sonnenlicht zwischen die leicht vibrierenden Blätter. Die flimmernde Hitze, die mich aufgeheizt hatte, als ich den Feldern entlang spazierte, war noch in mir gespeichert, aber die sanfte Kühle dieses Waldes wird sie wohl langsam in angenehme Erfrischung verwandeln. Ich stand mal kurz still, zog mir den Sonnenhut vom Kopf und wischte mir mit dem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn. Langsam wurde auch meine Atem- und Pulsfrequenz wieder ruhiger. Hier im Wald herrschte eine wunderbare Stille, die nur von meinem Atem und einem leisen Windeshauch durch Äste und Baumwipfel bereichert wurde. Die Vögel haben wohl ihre Stimme verloren, da und dort war wohl noch einer zu sehen, saß aber eher in sich gekehrt auf einem Ast und rupften und zupfte sein Federkleid. Ein Wegstück weiter lagen am Wegrand feinsäuberlich geschälte, zum Abtransport aufgeschichtete Baumstämme, die mir eine ideale Sitzgelegenheit boten. Überall lagen noch von Winter und den letzten Frühjahrsstürmen Äste und Holzstucke herum, die wohl bis zu ihrer vollständigen Verrottung liegen bleiben werden. Die Bodenfeuchte und die üppigen Grünflächen in dieser Waldlichtung verliehen diesem Wald einen ganz besonderen Duft.

Hier konnte ich ungestört meinen Gedanken freien Lauf lassen, denn selten verirrt sich eine Menschenseele in hierher. Lockten doch die Schwimmbäder in der Region, oder die nahe Stadt zum Flanieren. Dieser heiße Sommertag zeigte sich aber besonders hier im Wald von seiner schönsten Seite. Das helle, blendende Nachmittagslicht verwandelte sich hier im Wald in eine wunderbare fließend glitzernde Melodie aus Licht und Schatten. Sie gleicht der Oberfläche eines mit kleinen Wellen schimmernden kühlen Bächleins. Da der Waldboden hier so schön Licht durchflutet ist, hat sich der Boden mit üppigem Grünzeug bewachsen. Farne aller Art, Brennnesseln und Klee waren auszumachen, aber auch duftende Wildrosenbüsche, Brombeersträucher und Efeuranken. Feine Düfte streichen mir entgegen, mal modrig von feuchter Erde und feuchtem, faulenden Holz, mal mild duftend nach durch die Sommerhitze aufgewärmte Grünpflanzen und heranreifende Beeren, mal von frisch geschlagenem Holz. All diese Wahrnehmungen zusammen mit der Melodie der Licht- und Schattenspiele verweben sich zu einer einzigartigen Symphonie. Voller Harmonie und Klangfarben, bereichert vom Klang der Glöckchen von weidenden Rindern, Schafen und dem Schrei von Bussarden oder Milanen, die sich mit der Thermik der heissen Mittagszeit irgendwo über dem Feld oder Wald in die Höhe treiben liessen und mit dem Aufwind ihr Spiel der Lüfte spielten.

Nur ungern verließ ich diesen ruhigen Winkel, aber es zog mich weiter. Kaum dass ich diesen erfrischen Wald verlassen hatte, wanderte ich gleißender Hitze über Wiesen- und Weideland einem kleine, stillen Dorf entgegen, das friedlich in diesen wunderbaren Tag hinein schlummerte. Wunderbar duftende Vorgärten mit üppig blühenden Blumen und Rosen aller Art, durchzogen von einem kleinen, feinen Bächlein. Klar und heiter sang es vor sich hin. Immer wieder seine glitzernde Oberfläche verändernd, mit wunderbar feinen Mustern, die sich harmonisch ins Kühle des Wassers und dessen Grund einfügten. An einem plätschernden Brunnen konnte ich nun auch meinen Durst löschen und mir Arme und Gesicht erfrischen. Was für eine Wohltat, klares, frisches Quellwasser. Ab und an führ ein Traktor vorbei, ansonsten schien das Dorf schlaftrunken und menschenleer.

Mich zog es weiter, musste ich doch nun langsam den Heimweg unter meine Füße nehmen. Durch eine enge Gasse hinauf auf einen kleinen Hügel, an einem Bauernhof vorbei ging es nun wieder über Gras- und Weideland diesem Berghang entlang Heimwärts. Nun veränderten sich die Düfte laufend, erst noch den herben Duft des Bauernhofs, eine Mischung aus Mist, Heu und Viehzeug. Dann von frisch gemähter Wiese und Heu. Das Weideland war kahl gefressen, ob wohl nur wenige Rindlein und Kühe sich in diesem Stück eingezäunter Wiese ihre Genugtuung fanden. Unaufhörlich fraßen sich die Einen von da nach dort und zurück, beständig mit ihren schwänzen nach lästigen Fliegen schlagend. Kleine Glöckchen begleiteten das gefräßige Völkchen, Glöckchen, die mal mehr und dann wieder weniger stark ertönten, je nach dem, wie sie bewegt wurden. Währenddessen andere vollgefressen und träge sich im spärlichen Schatten zweier kargen Bäume drängten. Zwischen drin ein Krähenvölklein, das sich in der abgegrasten Wiese niederließ und diese nach Fressbarem durchforschte. Ich schaute eine Weile dieser Gelassenheit und Sorglosigkeit zu, bevor ich meinen Weg weiterging.

Rundum hügeliges Gelände, mit eingebetteten Feldern, Bäumen und Wäldern. Dazwischen einzelne Häuser. Vom Dorf war nichts mehr zu sehn, nur der Kirchturm ragte noch aus dieser hügeligen Landschaft hinaus in den inzwischen leicht milchig angelaufenen Himmel. Hoch über mir der gleissnde Himmel mit seiner brennenden Sonne. Ich war froh, bald einmal eine lauschige Waldlichtung queren zu können. Über morsche Holzbohlen betrat ich ein kleines Sumpfgebiet. Bei jedem meiner Schritte gluckste es unter meinen Schuhen, ein Frosch sprang flüchtend ins feuchte Moor. Am Ufer eines kleinen Weihers legte ich nochmals eine kurze Rast ein, bevor ich mit reichlich geschenkten Eindrücken dann den Rest des Nachhausewegs antrat.

Das Blau des Himmels spiegelte im ruhigen Wasser des Weihers als wäre oben unten und unten oben. Eine weite Unendlichkeit, nur getrennt durch die Linie des Ufers, dessen Schilfbestände ebenfalls von dieser fantastischen Spiegelung aufgenommen wurden. Aus der Ferne erfreute der Glockenschlag der Dorfkirche, aus dem nahen Wald der Gesang von Mönchsgrasmücke und Amsel und aus dem Sumpf das Quaken der Frösche. Hoch oben kreisen schreiend und unermüdlich Schwalben auf der Jagd nach Mücken für ihren Nachwuchs. Nun schient das Leben in der Natur nochmals einen Anlauf zu nehmen, bevor es dann zum Einnachten von einem beschaulichen, feinen Ruhezustand in einen wohlverdienten Schlaf hinüberleitete.

Nur die Klänge der Dunkelheit werden dann noch ihr Nachtlied singen. Dunkle, geheimnisumwitterte, Nachtgesänge, ausgeleuchtet von glitzernden Sternen und fahlem Mondlicht. Umgeben von unheimlich aussehenden Nachtschattengewächsen, umher fliegenden Fledermäusen und dem Ruf eines Käuzchen.

© Hans-Peter Zürcher