Ein trüber und kalter Adventsonntag war es damals anfangs Dezember. Am Nachmittag fuhr Peter mit der Straßenbahn aus der Innenstadt dem Bahnhof zu. Die Fensterscheiben waren beschlagen, da und dort sah man aber durch frei gewischte Löcher hinaus. Die Straßenlaternen beleuchteten mit gelblichem, warmem Schimmerlicht die Gehsteige und die Straßen, die weiß glitzernd mit Schnee bedeckt waren. Das Treiben in den Straßen und Gassen wie auch in den Geschäften war eher gemächlich. Keine Hektik, wenig Leute, ein eher ruhiger erster Verkaufssonntag im Dezember. Leise rieselte Schnee aus dem mit dicken dunklen Wolken verhangenem Himmel. Das Rumpeln des alten Straßenbahnwagens wurde durch den Schnee gedämmt. Trotz geschlossener Fenster fühlte Peter einen kalt einströmenden Luftzug, der ihn frösteln ließ, dessen die großen Elektroheizkörper unter den hölzernen Sitzbänken nicht wettmachen konnten. Er schlug seinen Mantelkragen hoch und verschob sich auf der Sitzbank gegen den Mittelgang hin. Im Wagen befanden sich nur wenige Passagiere, denn es war noch früh am Nachmittag. Im schräg gegenüberliegenden Abteil entdeckte er einen Teddybären, der verlassen auf der Holzbank saß und lustig im Takt der holpernden Straßenbahn wackelte. Ja, es war schon etliche Jahre her, da hatte er auch einen solchen Bären, der ihn immer und überall hin begleitete. –Wer mag den wohl vergessen haben, muss wohl sehr traurig sein, das Kind-. Er stand auf und setzte sich dem Bären gegenüber. „Na, kleiner, wer hat dich denn da einfach sitzengelassen“. Der Teddy blieb stumm, blickte Peter aber mit großen, dunklen, leuchtenden Augen an. Graubraun, war er, mit einem liebevoll gebunden, schützenden Schal um den Hals. Schließlich war es ja Winter und wer kuschelt da schon gerne mit einem Teddy der erkältet war. Als an der Endstation am Bahnhof die wenigen Passagiere ausgestiegen waren und sich niemand um den kleinen Bären gekümmert hatte, nahm ihn Peter beherzt auf, streichelte ihm liebevoll über den Kopf und sagte zu ihm: „wenn du willst, nehme ich dich mit in mein warmes Stübchen, dann musst du wenigstens nicht frieren und bist nicht so alleine. Weißt, ich hab zu Hause meinen Mutzli, den kleinen Bären, der mich durch meine Kindheit begleitet hatte“. Er kippte ihn kurz nach hinten und zurück. „Mö ööö “ war seine Antwort, das soviel hieß wie ja gerne.....
Seither sind gut vierzig Jahre vergangen. Peter war mit dem Zug unterwegs nach Hause. Ein Werktag war es im November. Seine Nachbarin Yvonne mit ihrer Enkelin war ebenfalls im Zug. Die Kleine hatte ihren Teddy, der stark verknutscht und lädiert aussah, mit dabei und spielte mit ihm während der Fahrt. Sie setzte ihn auf den freien Sitz gegenüber und plauderte mit ihm drauf los. „Pass ja gut auf ihn auf, Vreneli“, mahnte sie die Kleine, „nicht dass du ihn dann sitzen lässt, wenn wir aussteigen müssen“. Dann erzählte sie Peter, dass sie ihren geliebten Teddybären vor vierzig Jahren in der Straßenbahn sitzengelassen habe. Sie war damals fünf Jahre alt und mit ihrer Tante zum Weihnachtseinkauf in die Stadt gefahren. Damals sei sie sehr traurig gewesen über den Verlust ihren geliebten Bären. Peter musste über diese Geschichte schmunzeln, erwähnte aber nichts von seinem damaligen Fund.....
......Am ersten Adventsonntag, mild war es, aber stürmisch, machte sich Peter mit einem kleinen Bündel unter dem Arm auf den kurzen Weg hinauf zum Haus von Yvonne. Sie waren schon seit damals Nachbarn, sie in ihrem Elternhaus, Peter in den seinem. „Schön dass du kommst, wir sind gerade beim Tee, komm doch herein, bitte, sei so gut. Aus dem Haus strömte ihm ein feiner Duft von Weihnachtsgebäck entgegen. Ja, diese Einladung nahm er sehr gerne entgegen. „Wir sind am Backen und gönnen uns nun ein erstes Gutzi“, lächelte Yvonne. Kerzen auf dem Tisch und ein elektrischer Pyramidenleuchter am Fenster trugen das ihre bei zu dieser vorweihnachtlichen Stimmung.
Peter öffnete geheimnisvoll sein mitgebrachtes Bündel. „Mö ööö“, ertönte eine Stimme aus der Decke. Peter streckte mit einem Lächeln den mit Schal bekleideten Teddybären Yvonne hin und sagte: „schau, den habe ich just vor vierzig Jahren am ersten Advent in der Straßenbahn sitzend gefunden und ihn mit in mein Stübchen mitgenommen. So war mein Mutzli nicht ganz allein, denn zum spielen war ich damals nun wirklich zu alt“. Yvonne konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, zu bewegt war sie. Sie umarmte Peter und küsste ihn auf die Wangen. „Mein Gott, du?“, stammelte sie ganz aufgeregt, „du hast ihn gefunden, nein so was, nun wohnen wir schon so lange nebeneinander und mein Fritzli, den ich so vermisst hatte, war mir so nah. Nun holte Peter auch noch seinen Mutzli aus der Decke, „nimm ihn zu Dir, denn die beiden sind in den vierzig Jahren gute Freunde geworden, sie zu trennen wäre für die beiden sicher sehr schlimm...
© Hans-Peter Zürcher
4 Kommentare:
Herzergreifend schööön!
Ach mein lieber Lyrikfreund Hans-Peter, wie liebe ich es, deine wunderbaren Geschichten zu lesen !! Und diese hier ist so sehr herzberührend schööön erzählt ! Du vermagst mit Worten liebevoll und bilderreich umzugehen, das einem das Herz aufgeht ! Das nostalgisch anmutende Bärchen- Foto ist ein lieblicher Hingucker und unterstreicht deine Geschichte auf entzückende Weise :0))
Herzlichste Grüße in den 4. Advent von mir zu Dir
Rosanna
Es gibt manchmal Zufälle im Leben, die kaum zu glauben sind.
Deine Geschichte ist wunderschön und warmherzig erzählt - sie passt sehr gut in die Weihnachtszeit.
Ich grüße Dich von Herzen.
Barbara
Was für eine zauberhafte und herzerwärmende Geschichte, Hans-Peter. Ich habe jeden Satz genossen!
Eine sehr schöne Geschichte, vor allem, weil sie wirklich hätte passieren können. Oder ist sie's gar?
LG Sabine
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