Montag, 23. April 2012


Abschied

Die Eintönigkeit der Bahnfahrt wird an jeder Haltestelle, die kurz zuvor ausgerufen wird, für kurze Zeit unterbrochen. Ob wohl der Zug gut besetzt ist, herrscht Ruhe und eine eher eintönige Stimmung. Einige Passagiere haben keinen Sitzplatz und stehen draußen vor dem Abteil. Die meisten der Fahrgäste hören über ihre mp3 – Spieler Musik, spielen mit ihrem Handy oder sind in eine Zeitung oder in ein Buch vertieft. Andere wiederum dösen müde von der Arbeit vor sich hin. Ich genieße die Ruhe im Eisenbahnwagen, aber ein wenig geplaudert hätte ich schon sehr gern.

Nun, so beobachte ich dann die einzelnen Fahrgäste. Die. die schon länger im Zug saßen, kannte ich nun schon einiger maßen gut, so meinte ich wenigstens. Im Abteil mir schräg gegenüber sitzen zwei junge Frauen. Auch sie sind jede für sich mit Musik und etwas lesbarem beschäftigt. Kommunikation scheint heute nicht mehr gefragt zu sein, alle wollen nur noch für sich alleine sein. Keine Gespräche, kein Lächeln, nichts, alle sitzen da, alle mit einem gleichartigen, versteinerten Gesichtsausdruck.

Auf der linken Seite kann man zwischen den Häuserreihen und Baumalleen ab und zu den Bodensee mit dem nahen, gegenüberliegenden Schweizer Ufer erkenne. Der Himmel ist bedeckt, doch eine wunderbare Weitsicht ist dank dem Föhn vorhanden. Das eintönige Rumpeln und Wiegeln des Eisenbahnzuges wird jeweils kürz vor der Einfahrt in einen Bahnhof durch ein hüpfendes dädedämm-dädedämm-dädedämm, das einen metallischen Nachklang in sich hat, unterbrochen.

So auch eben gerade jetzt. Aus dem Lautsprecher erklingt eine unpersönliche sterile Durchsage, die im Rattern beim überfahren der Weiche beinah untergeht: “Radolfzell, bitte benutzen sie zum Aussteigen den Ausgang auf der linken Seite„. Die Bremsen quietschen, der Zug hält an. Im Wagen entsteht geschäftiges treiben, einige Passagiere steigen aus, die, die bis an hin draußen vor dem Abteil gestanden haben, suchen nun nach einem freien Platz.

Draußen auf dem Fahrsteig steht eng umschlungenes ein sich heftig küssendes Liebespaar. Er löst sich zart und sachte aus der Umarmung und möchte einsteigen, kann aber nicht loslassen. Sie umarmen sich erneut heftig und innig. Sie lösen sich wieder voneinander, schauen hoch zu Bahnhofsuhr, beide Tränen in den Augen. Ein letztes Umarmen, zwei, drei Worte, ein Kuss, einletzter Händedruck, dann entgleitet der Mann aus den Händen seiner Geliebten und eilt dem Eingang zu. Völlig verweint steht sie nun suchen da und schaut aufgeregt, in welches Abteil ihr Geliebter nun einsteigen würde.

Er kommt in unser Wagenabteil, hastig eine Träne abwischend und setzt sich mir schräg gegenüber zu den beiden jungen Frauen. Die beiden Liebenden werfen sich nun beständig und beherzt Kusshände zu und versuchen, trotz ihres sichtlich großen Trennungsschmerzes zu lächeln. Langsam beginnt sich der Zug in Bewegung zu setzten. Der Mann stützt sich mit der einen Hand am Fenster ab, mit der anderen Hand schickt er seiner Geliebten nochmals einen letzten Kuss zu und sinkt dann sichtlich traurig zurück in seinen Sessel. Seine Hände auf dem Mitteltischchen übereinander gelegt sitzt er nun in Gedanken versunken da. Ein Strom von leisen Tränen rinnt über sein Gesicht. Er scheint nicht bemerkt zu haben, dass die junge Frau, die ihm gegenüber sitzt, ihn mit großen Augen beobachtet. Sie hatte, wie ich auch, diese berührende Abschiedsszene bereits auf dem Bahnsteig beobachtet. Und nun geschah etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte. Sie legt ihre Ohrhörer weg, stellt den mp3 – Spieler ab und legt ihre Hand auf die Hände von ihrem ihr gegenüber sitzenden, fremden Mann. Mit der Anderen reicht sie ihm ein Taschentuch und lächelt ihn verständnisvoll an. Sie scheint selbst von diesem Abschied berührt zu sein.

Dädedämm-dädedämm-dädedämm, der Zug rattert über die letzten Weichen von Radolfzell, draußen flitzen Bäume, und Häuser vorbei, ein letztes Aufblitzen des Bodensee, dann eine immer düsterer werdende Landschaft mit Wald und Feldern, eine Landschaft, die langsam beginnt einzudunkeln. Mir eintönigem Rumpeln entflieht im Eilzugtempo der Nacht entgegen, dädedämm-dädedämm-dädedämm...

© Hans-Peter Zürcher

Freitag, 6. April 2012


Frohe Ostern

Nun hoppeln sie wieder, die vielen Osterhasen aus Schokolade, rotem Zucker, Marzipan und Nugat. Auch alles andere, was sonst noch so für dieses Fest verkauft werden kann, stapelt sich auf Ladentischen und in Regalen in Unmengen. Eier in jeglicher Art und Form aus Schokolade, Pappe, Holz oder der gleichen. Aber auch  Parfüm, Schmuck, Dekorationsgegenstände von Rustikal bis Edelkitsch für die Erwachsenen und Spielsachen für die Kinder. Die Geschenke von Weihnachten sind ausgepackt, umgetauscht und längst vergessen. Deshalb ist es äußerst wichtig, dass wieder Neues unter die Menschen gebracht wird. Auch ess- und trinkbares in rauen Mengen wird unter das Volk gebracht, denn die Fastenzeit ist ja zum Glück nun vorüber. Die Osterfeiertage sind wie die Weihnachtsfeiertage, nichts anderes mehr als Umsatz fördernde Geschäftsfeiertage. Und die sind ja dringend notwendig um der Wirtschaft willen.

Die Schaufenster und Regale in den Verkaufsgeschäften sind schon seit geraumer Zeit, nämlich bereits ab Mitte Februar zum Einstimmen auf dieses Fest dekoriert und gefüllt. Nach dem Motto: "denn süßer die Kassen klingeln", werden fleißig Osterhasen und andere Süßigkeiten eingekauft und vernascht, bis sich dann eine Sättigung bei Groß und Klein bemerkbar macht. So wird dann drei Wochen vor dem Fest mit großzügigen Rabatten auf das ganze Schleckarsenal der Verkauf nochmals tüchtig angekurbelt. Und was nicht verkauft werden kann, wird dann nach Ostern zum halben Preis verscherbelt. Auf Ostern kann dann auch noch vieles andere geschenkt werden, auch solches wird schon seit Wochen versucht an Mann, Frau und Kind zu bringen. Autos, Unterhaltungselektronik, Schmuck, Parfum, Spielsachen jeglicher Art, auch kleine, niedliche Haustiere sind gefragt. Diese kann man denn vor den großen Sommerferien einfach irgendwo aussetzen, also kein Problem.

Und dann endlich geht es los. Einige Tage vor dem Fest fährt man voll gepackt mit all den eingekauften Herrlichkeiten gegen Süden, erst Stundenlang im Stau, nachher in überfüllten Städten und Dörfern. Dies alles ist wunderschön, man ist umgeben von lauter Gleichgesinnten. Nun kann man endlich zwei Wochen Osterurlaub vom feinsten geniessen, anstehen beim Mittagsbuffet, anstehen an den Bergbahnen und an den Skiliften, anstehen für eine freie Sitzbank am Lago Maggiore oder am Lago di Lugano. Aber was soll’s, man hat ja Urlaub. An den Verkehrslärm hat sich ja unser Gehör auch schon längst gewohnt, denn den hat mancher ja zu Hause auch, nur nicht in einer solch schönen Umgebung. Und die Schlafgelegenheiten in den überbuchten Hotels, auch dies ist kein Problem, es kann ja im Schichtbetrieb geschlafen werden, wenn die einen am Feiern sind, können die anderen schlafen und umgekehrt. Es heißt ja: - frohe Osten - ... also, wird gefeiert was das Zeugs hält!

© Hans-Peter Zürcher

Sonntag, 1. April 2012


Leben

oder wie wenig es dazu braucht...

Ein Essay

Wenn man das Glück erfahren darf, in der freien Wildbahn Tiere zu beobachten, sich in freier Natur zu bewegen, dann ist das ein großes Geschenk.

Wir Menschen sind ein Teil dieser Welt, genau so wie Tiere und Pflanzen, wie auch die ganze Natur. Wenn wir das Recht und das Glück haben, hier Gast zu sein, hier verweilen zu dürfen, so haben das die Tiere und die Pflanzen auch. Oberstes Gebot ist es, dieses Gastrecht zu respektieren. Einem Gastgeber fügt man keinen Schaden zu, auch seinem Lebensumfeld nicht. Einem Gastgeber begegnet man mit Respekt und Anstand. Einem Gastgeber schenkt man Wertschätzung und Ehre. 

Leider ist es aber so, dass der Mensch nicht versteht, nicht verstehen will, dass er nur Gast auf dieser Welt ist. Er akzeptiert das Gastrecht nicht und widersetzt sich allen Regeln der Ehrfurcht und des Anstands gegenüber allem Leben auf dieser Welt und letztendlich auch vor sich selbst.

Wenn sich der Mensch nun seinem eigenen Lebensraum und dem der Anderen beraubt und alles ausbeutet und zubetoniert, wie ist es ihm dann noch möglich Leben aufrecht zu erhalten? Wenn der Mensch seinen eigenen Lebensraum und den der Anderen zerstört, zerstört er auch den Lebensraum der Tiere und der Pflanzen, wie ist es ihm dann noch möglich, sein Leben aufrecht zu erhalten?

Ein Leben auf dieser Welt ist doch nur dann möglich, wenn Vernunft vor Habsucht, Frieden vor Krieg, Beschützen vor Zerstörung, Anstand vor Raubbau und Wertschätzung vor Gewinnsucht stehen.

Hätte sich der Mensch nur einmal diese kleine, einfache Frage gestellt, so denke ich, hätte er merken müssen, dass das, was er täglich zerstört, unwiederbringlich ist und ein Leben auf dieser Welt dann nicht mehr möglich sein wird. Leider hat der Mensch die Chance verpasst, sich diese Frage zu stellen, leider hat der Mensch die Chance verpasst, sich diese einfache Antwort zu geben... und somit die Chance verpasst zu Leben...

© Hans-Peter Zürcher